Nachfolgend ein interessanter Beitrag von Herrn Rechtsanwalt Bastian Gierling, Köln; veröffentlicht auf XING. Im Rahmen der Beurteilung der Zulässigkeit der (Folge)Nutzung von Grundstücken ein nicht uninteressantes Thema wie ich meine.
Beste Grüße
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Sehr geehrte Damen und Herren,
der Bundestag hat am 06.11.2014 das auf Initiative des Bundesrates eingebrachte „Gesetz über Maßnahmen im Bauplanungsrecht zur Erleichterung der Unterbringung von Flüchtlingen (Flüchtlingsunterbringungs-Maßnahmengesetz)“ beschlossen. In seiner heutigen Sitzung hat der Bundesrat das Gesetz gebilligt. Nach der Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten und seiner Verkündung im Bundesgesetzblatt soll das Flüchtlingsunterbringungs-Maßnahmengesetz noch in diesem Monat in Kraft treten.
1. Anlass und Ziel des Gesetzes:
Hiermit reagiert der Gesetzgeber auf die stark angestiegene Zuwanderung von Flüchtlingen und den damit wachsenden Bedarf an Unterkunftsmöglichkeiten für diese Menschen. Durch Änderungen im Baugesetzbuch („BauGB“) schafft es zeitlich befristete Erleichterungen bei der planungsrechtlichen Zulässigkeit von Flüchtlingsunterkünften. Dies soll eine zeitnahe Errichtung öffentlicher Unterbringungseinrichtungen für Flüchtlinge und Asylbewerber ermöglichen. Denn insbesondere in Ballungsräumen mit ohnehin angespanntem Wohnungsmarkt ist dies bisher schwierig, da zum einen nur wenige Flächen zur Verfügung stehen und deren Nutzung zudem häufig auf planungsrechtliche Hindernisse stößt.
2. Die wesentlichen Änderungen des BauGB durch das Flüchtlingsunterbringungs-Maßnahmengesetz im Einzelnen:
a) Bis zum 31.12.2019 werden danach
- die Planungsleitlinien um „die Belange von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden und ihrer Unterbringung“ ergänzt (vgl. § 1 Abs. 6 Nr. 13 BauGB n.F.) und
- die Allgemeinwohlgründe, die eine Befreiung von den Festsetzungen eines Bebauungsplans erfordern, ausdrücklich auf solche des „Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden“ erstreckt (vgl. § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB n.F.).
Anmerkung:
Hierdurch soll den Belangen von Flüchtlingen und Asylbewerbern und insbesondere deren Unterbringung bei der Bauleitplanung verstärkt Rechnung getragen werden. Mit der Änderung des § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB wird das besondere öffentliche Interesse an der Schaffung von Flüchtlingsunterkünften herausgestellt. Dies hat Bedeutung insbesondere für die im Rahmen von Befreiungen notwendige Bewertung der Zumutbarkeit der Befreiung im Verhältnis zu nachbarlichen Interessen und anderen öffentlichen Belangen.
b) Zudem erhält § 246 BauGB die neue Überschrift „Sonderregelungen für einzelne Länder; Sonderregelungen für Flüchtlingsunterkünfte“ und wird um 3 Absätze wie folgt ergänzt:
§ 246 Abs. 8 BauGB n.F.:
„Bis zum 31. Dezember 2019 gilt § 34 Abs. 3a Satz 1 BauGB entsprechend für die Nutzungsänderung zulässigerweise errichteter Geschäfts-, Büro- oder Verwaltungsgebäude in bauliche Anlagen, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen, und für deren Erweiterung, Änderung oder Erneuerung.“
Anmerkung:
Fortan gelten also die gemäß § 34 Abs. 3a Satz 1 BauGB zugelassenen Abweichungsmöglichkeiten vom Gebot des Einfügens im sog. unbeplanten Innenbereich auch für die Umwandlung/Nutzungsänderung bestehender Gebäude in Flüchtlingsunterkünfte entsprechend.
§ 246 Abs. 9 BauGB n.F.:
„Bis zum 31. Dezember 2019 gilt die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 für Vorhaben entsprechend, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asybegehrenden dienen, wenn das Vorhaben im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit nach § 30 Absatz 1 oder § 34 zu beurteilenden bebauten Flächen innerhalb des Siedlungsbereichs erfolgen soll.“
Anmerkung:
Bisher waren Flüchtlingsunterkünfte im Außenbereich als sonstige Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 2 BauGB nur ausnahmsweise dann zulässig, wenn ihre Errichtung oder Nutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt. Fortan werden diese Anlagen, wenn sie im unmittelbaren Zusammenhang mit einem bebauten Ortsteil innerhalb des Siedlungsbereichs errichtet werden sollen, den teilprivilegierten Vorhaben gleichgesetzt, so dass ihnen entgegenstehende Darstellungen des Flächennutzungsplans oder eines Landschaftsplans, die natürliche Eigenart der Landschaft oder die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung nicht entgegengehalten werden können.
§ 246 Abs. 10 BauGB n.F.:
„Bis zum 31. Dezember 2019 kann in Gewerbegebieten (§ 8 der Baunutzungsverordnung, auch in Verbindung mit § 34 Abs. 2) für Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden, wenn an dem Standort Anlagen für soziale Zwecke als Ausnahme zugelassen werden können oder allgemein zulässig sind und die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit öffentlichen Belangen vereinbar ist. § 36 gilt entsprechend.“
Anmerkung:
Hiermit reagiert der Gesetzgeber auf Entwicklungen in der Rechtsprechung, nach denen Flüchtlingsunterkünfte wegen ihrer wohnähnlichen Nutzung in Gewerbegebieten grundsätzlich unzulässig sein sollen und demnach auch nicht ausnahmsweise genehmigt werden können. Allerdings sieht § 8 Abs. 3 Baunutzungsverordnung (BauNVO) schon immer vor, das Anlagen für soziale Zwecke auch in GE ausnahmsweise zugelassen werden können. § 246 Abs. 10 BauGB n.F. stellt nunmehr klar, dass das auch für die hier in Rede stehenden Einrichtungen im Sinne des Asylverfahrensgesetzes gelten soll. Hierbei wird jeweils zu prüfen sein, ob die beantragte Flüchtlingsunterkunft mit den jeweils zulässigen Gewerbebetrieb im betreffenden GE miteinander verträglich ist. Das kann etwa der Fall sein, wenn die Nutzungen im Gewerbegebiet im Hinblick auf ihre Emissionen und verkehrlichen Auswirkungen so gegliedert sind, dass es Bereiche gibt, in denen eine wohnähnliche Nutzung nicht unzumutbar gestört wird und von dieser wohnähnlichen Nutzung auch keine unzumutbaren Beeinträchtigungen für zulässige gewerbliche Nutzungen ausgehen.
Ich hoffe Ihnen hiermit einige interessante Informationen über das neue Gesetz sowie die damit einhergehenden Änderungen des BauGB gegeben zu haben. Nähere Informationen (bspw. die Gesetzesbegründung) können Sie der BT Drucksache 18/2752 entnehmen.
Für Rückfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Bastian Gierling